21. März 2015

Omsch

Omsch, liebevoll für Oma, ist ein sehr berührender Film von und mit Edgar Honetschläger, vordergründig zunächst über Pauline Schürz, eine betagte Frau und ihren Alltag, erzählt von ihr selbst, manches Mal auch im Off-Ton aus der Perspektive des Regisseurs.

Blickt man tiefer, bietet der Film soviel mehr:
Zum einen eine Ahnung, welche Herausforderungen, aber auch schöne Momente das Alter bietet: allein eine Straßenüberquerung zu einem Geschäft auf der gegebenüberliegenden Straßenseite ist plötzlich ein fast unüberwindbares Hindernis, ein Spießrutenlauf zwischen verschiedensten Verkehrsteilnehmern, die alle ihrer eigenen Geschwindigkeit nachgehen. Dann jedoch folgen Tage und Momente voller Dankbarkeit, in denen selbst ein kurz gesagtes, liebes Wort, eine herzliche Geste den alten oder alternden Menschen wieder Jahre jünger fühlen und sprichwörtlich Bäume ausreisen lassen, in denen man zufrieden auf sein gelebtes Leben zurückblicken darf und kann, nicht wünschend es anders gelebt zu haben.

Zum andern erhält man in „Omsch“ Einblicke in eine altersweise Haltung, die sich aber auch genauso schnell in Egoismus, Verzweiflung und Angst verwandeln kann. Dinge, die in der Jugend aufregen oder peinlich sind, verlieren im Alter ihre unangenehme Seite. Humorvoll von Pauline Schürz umschrieben, könne man sich im Alter eigentlich alles erlauben. Man darf sich erlauben schlecht zu hören, schlecht zu sehen, schlecht zu gehen. Gar so einfach ist es aber auch für sie in manchen Momenten nicht und hier klingen in bestimmten Filmpassagen nicht nur Nachdenklichkeit über den Sinn des gelebten und des noch möglichen Lebens, sondern auch Verzweiflung und Angst in gesundheitlich, psychisch beeinträchtigten oder einsamen Momenten durch.

Der Film beschönigt nichts, auch nicht das Thema des Generationenkonflikts, liegen doch zwischen Edgar Honetschläger und Pauline Schürz mehrere Jahrzehnte Altersunterschied. Aus dem Off hört man Honetschläger über Egoismus, Sturheit und Vereinnahmung seiner Nachbarin klagen, gleichzeitig ist die ganze Filmdauer hindurch viel Verständnis, Neugier, Respekt und Interesse auf beiden Seiten  spürbar. Die unterschiedliche Lebensweise wird wunderbar durch die Kameraführung kontrastiert: eine ruhige, reduzierte Kameraführung, die Langsamkeit, Bedächtigkeit und gleichzeitig Reife des Alters förmlich spürbar macht. Im Gegenzug zeigen schnelle, unruhige, manchmal Unschärfe bewusst einsetzende, mit manch dissonanten Tönen hinterlegte Filmaufnahmen die Rastlosigkeit, auf der Suche seiende, für manches Wagnis bereite Jugend.

Eingerahmt wird Omsch von ansprechenden Texten aus dem Fundus Honetschlägers selbst (intensive und literarisch wunderschön ausformulierte Passagen aus immer wiederkehrenden Briefwechsel zwischen Omsch und Edgar Honetschläger) und Zitaten von Pascal Mercier sowie Fernando Pessoa, die dem Film noch eine weitere bereichernde Note verleihen.

Wer Interesse am Alltag alter Menschen hat, erfühlen möchte, welche Herausforderungen und Bereicherungen das Leben trotz mancher Einschränkungen bieten kann, einen ungeschönten, aber umso authentischeren Blick auf generationsübergreifende Beziehungen werfen möchte und bereit ist sich auf einen Film mit Nachwirkung und Lust auf ein nochmaliges Ansehen einzulassen, dem sei Omsch wärmstens empfohlen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Was wäre eine Wolkenreise ohne die entsprechenden Begleiter?! Ich bin nicht gerne allein unterwegs und freue mich, wenn Du mir zu meinen "Ausflügen" in die jeweiligen kleinen Wolkenwelten Feedback oder Anregungen gibst.