4. August 2015

Gedankenstern der Woche

Ich lese gerne, aber nicht unbedingt Bestseller. Doch "Das größere Wunder" von T. Glavinic fand, dem Titel getreu, irgendwie auf WUNDERsame Weise zu mir und hat mich schon zweimal nahezu absorbiert.

Zunächst hat man das Gefühl vor einem schier unüberschaubaren Puzzle zu stehen, muss sich auch an die ungewohnten Sprünge zwischen Gegenwart und Vergangenheit gewöhnen und gewinnt selbst dubiose Figuren auf fast unheimliche Weise lieb. Von Beginn an jedoch stößt man immer wieder zwischen den Handlungssträngen auf spannende Gedankengänge und Aussagen, die erst mal sickern müssen, um Wurzeln zu schlagen.

Einer davon, nämlich "Ein Leben ist nur dann geschützt, wenn es einer Sache gewidmet ist, die größer ist als der Mensch, der es lebt und der Sache dient.", hat mich zu folgendem Text inspiriert:

Versuch einer Interpretation

- Ein Leben kann nicht geschützt sein. Wir verlieren es doch alle einmal durch den Tod. 
* Natürlich kann man Leben schützen. Am Ende steht zwar der Tod, ob der wirklich zum Verlust führt, weiß man wohl erst nach dem Moment des Sterbens. Und selbst dann kann das gelebte Leben geschützt werden, etwa vor dem Vergessen.
-  Und wie willst Du das tun?
*  Jeder Mensch kann Spuren hinterlassen, die an ihn erinnern können. Gesprochenes, Geschriebenes, Getanes, Gemachtes..  Aber bleiben wir doch in der Gegenwart, das Nachher werden wir wenig beeinflussen können. Wir selbst können unser Leben schützen, zum Beispiel vor Konsumwahn, verantwortungslosem Handeln und Verhalten, sinnentleertem Dasein. Ich glaube, vor allem um Letzteres geht es.
- Woraus schließt Du das?
* Wenn ich mein Leben etwas Größerem widme und diesem diene, lade ich es mit Sinn auf. Ich frage mich nicht, warum ich lebe, ich lebe im Sinn dieser "Sache".
- Aber Sache? Ein Ding? Das kann lebenssinngebend sein?
* Der Begriff Sache ist wohl sehr weit gefasst und kann durch jenes Größere ersetzt werden, dem ich mein Leben widme.
- Warum muss die Sache größer sein?
* Damit dies wirklich zur Lebensaufgabe werden kann. Wäre ich mit damit schon am nächsten Tag fertig, ginge mir ja mein Lebenssinn verloren.
- Aber ist dies nicht frustrierend niemals fertig zu werden?
* Man darf zwar nicht das Ziel aus den Augen verlieren, doch der Weg dorthin scheint mir erfüllender zu sein. Es geht allerdings nicht um einen selbst, sondern um die Sache. Daher gefällt mir auch das Wort "dienen" am Ende so gut.
- Dienen ist für mich sehr unterwürfig. Ist das überhaupt noch zeitgemäß?
* Ja, stimmt, ich nehme mich zurück und stelle etwas über mich und meine vielleicht momentanen Bedürfnisse. Ich erkenne an, dass es Größeres als mich gibt und ich meinem Lebenssinn diene, mich also unterordne. Das ist nichts Negatives, auch wenn unsere stark Ich-bezogene Gesellschaft uns immer wieder vom Gegenteil überzeugen will..

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Frage an die Leserschaft und Einladung zur Diskussion:

Wie interpretiert Ihr den zitierten Satz? Welche Gedanken weckt er in Euch? Welche Ideen oder (andere) Meinungen habt Ihr dazu? Ihr wisst, ich reise nicht gerne allein auf meiner Wolkenreise und freue mich über mitdiskutierende Reisebegleiterinnen ...   

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Was wäre eine Wolkenreise ohne die entsprechenden Begleiter?! Ich bin nicht gerne allein unterwegs und freue mich, wenn Du mir zu meinen "Ausflügen" in die jeweiligen kleinen Wolkenwelten Feedback oder Anregungen gibst.