13. Juli 2015

Diversität ja bitte! Klischeedenken nein danke!

Kinder ja/nein? Spießertum vs. Modernität? Mainstream vs. Individualität? Eingeschränktheit vs. Freiheit? Wenn man den Artikel von Nicola Gold, "40, ohne Kind - na und?", erschienen in der Tageszeitung Die Presse am 28. Juni 15, liest, scheint wenig für das Leben mit Kindern zu sprechen. Mehr oder weniger subtil zeichnet die Autorin ein Bild, das kinderlose (Single-)Frauen als freier, experimentierfreudiger, wagemutiger und interessanter erscheinen lässt als Frauen, die sich, ihrer Definition nach, für "konservative" Lebensmodelle (Ehe, Kinder, Eigenheim) entscheiden. Welcome! Nicht im Cabaret, sondern in der Welt der Klischees!
 Die Replik von Sara Grasel (ebenfalls in der Tageszeitung Die Presse erschienen, 5. Juli 15) behandelt dieses Thema schon erschöpfend..

Ich frage mich allerdings beim Lesen beider Artikel, warum man die Lebenswelten so aufeinander prallen lässt, ein Entweder-Oder in den Raum stellt und nicht zum gegenseitigen Lernen voneinander aufruft. Keine Frage - aus eigener Erfahrung weiß ich nun mittlerweile, dass sich das Leben mit der Geburt eines Kindes völlig ändert. Bisherige Prioritäten, Verhaltensweisen, Überzeugungen werden in einem neuen Lichte betrachtet, Freundschaften und Alltag erfahren eine neue Ausrichtung und manches wird zur Gänze überdacht. Das ist Leuten ohne Kinder schwer zu vermitteln, manche Dinge muss man selbst erfahren, um sie zu verstehen.

Dennoch: Mit ein bisschen Offenheit und Interesse für die Lebenswelt anderer könnten Kinderlose und Eltern einander bereichern. Kinderlose erfahren im Idealfall etwa mehr über hohe Flexibilität und das Einstellen auf die Wünsche und Bedürfnisse des Gegenübers (gar nicht so einfach in unserer Ich-zentrierten Gesellschaft), damit verbunden rasches Umstoßen und Abändern ursprünglicher Pläne (vielleicht auch gleich Plan B hervorzaubern), emotionale Belastbarkeit und Stressresistenz (#worldstoughestjob - schon gehört?), Carpe diem, das schon Epikur predigte und heute im geflügelten Wort der Achtsamkeit wieder mehr Verbreitung findet.

Und umgekehrt: Mütter waren auch mal Frauen ohne Kinder, vielleicht ähnlich genervt wie Nicola Gold, sollten sich also gut in manche Gefühlslagen hineinversetzen können. Daher wäre doch schön, wenn man sich die Offenheit für andere Themen bewahrt und nicht "den Alltag mit Kindern" ins Zentrum rückt, nicht nur für Kinder lebt, sondern auch seine eigenen Interessen im Rahmen des Möglichen pflegt, auf sich und seine Ressourcen achtet.

Last but not least zum Thema "Frauengespräche", die Frau Gold bei der erwähnten Party vermisste: Auch mit Müttern sind andere Gespräche möglich. Themen, die sich um Achtsamkeit, Verantwortung, Bildung, Begleiten, Sorge im positiven als auch negativen Sinne, Geduld, Umgang mit Ängsten, konstruktive Kritikäußerung, Kommunikation, Persönlichkeitsentwicklung und -förderung, um nur einige zu nennen, drehen, sind doch universell und brückenschlagend.

Daher: bitte nicht (gegeneinander) um den besseren Lebensentwurf kämpfen, sondern das Gespräch suchen. Ist doch spannend verschiedene Aspekte zu sehen und vielleicht den ein oder anderen auch mehr im eigenen Lebensentwurf trotz gewählter Richtung zum Vorschein zu bringen, oder?



Artikel "40, ohne Kind - na und?", erschienen in der Tageszeitung Die Presse vom 28. Juni 15, nachzulesen auf http://diepresse.com/home/leben/mensch/4764677/40-ohne-Kind-na-und

Artikel "Bedauert die Mütter nicht", erschienen in der Tageszeitung Die Presse vom 5. Juli 15, nachzulesen auf http://diepresse.com/home/leben/mensch/4770010/Bedauert-die-Mutter-nicht

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